Hallo ihr Lieben,
kommen wir heute zu dem emotionalsten, ehrlichsten und auch schwersten Blogpost, den ich in sechs Jahren Bloggerkarriere je geschrieben habe. Lange habe ich den Mut und die Worte für genau diesen Post gesucht, denn nicht jeder in meiner Umgebung versteht meine Entscheidungen derzeit. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Wirklich nicht. Denn ich habe mich verändert. Sehr. Und das nicht gerade zum Guten.
Meine Depression
Lange Zeit, nachdem Eva von uns gegangen ist, durfte ich in meiner Zuckerwattenwelt leben. Der Welt, in der die Realität noch nicht so richtig eingesetzt hat. Der Welt, in der es oft genug Ablenkungen gab. Aber Zuckerwatte löst sich bekanntlich auf, sobald sie mit Wasser in Berührung kommt. Vor allem, wenn dieses Wasser aus salzigen Tränen besteht.
Sobald wir wieder zu Hause angekommen sind, wurde mir dies leider all zu schnell und schmerzlich bewusst. Dieses Haus ist einfach kein zu Hause mehr. Es beklemmt, es bedrückt, die Wände scheinen näher an mich zu rücken und irgendwann bin ich genau daran zerbrochen.
Um absolut ehrlich zu sein… In dem Moment habe ich den Fehler begangen zur Flasche zu greifen. Ich weiß. Ich weiß es wirklich. Alkohol hilft nicht. Aber für den Moment wusste ich einfach nicht mehr weiter. Überall Erinnerungen, Spielzeug, Bilder. Selbst einkaufen ging nicht mehr, weil der eine Supermarkt der letzte ist, in dem Eva gelaufen ist, trotz Lähmung. Der andere Supermarkt wurde von ihr gerne besucht, weil sie dort ganz viele nette Menschen kannte. Vom Marktplatz und der Nähe zur Schule ganz zu schweigen.
Der Alkohol
Das Einzige, was wirklich zu helfen schien, war trinken. Einfach mal nicht mehr denken. Abschalten, nicht mehr richtig da sein. Es gab viele dieser Tage. Zu viele.
Mein Mann und meine Mutter konnten mir in der Situation nicht helfen. Wir leiden alle anders unter der Situation und es ist schwer, sich gegenseitig Kraft zu geben. Meine Kraft war am Ende. Was dazu führte, dass ich die Reißleine gezogen habe. Ich bin für drei Wochen zu einer Freundin gezogen. Ohne Alkohol. Mit Ablenkung.
Vollen Mutes bin ich dann auch wieder nach Hause gegangen. Ich hatte ja Kraft getankt. Ich hatte einen Plan. Aber wie immer habe ich die Erinnerungen unterschätzt. Der alte Wunsch nach Alkohol kam wieder und obwohl es mir nun leichter fiel einfach Nein zu sagen, klappt es immer noch nicht immer. Erst diese Woche hatte ich wieder einige ganz schlimme Tage, die ich gerne als “Rock Bottom” bezeichne. Da fühlt sich jeder Atemzug an, wie ein Messer, dass eine weitere Erinnerung aufschlitzt, die dann ohne Wenn und Aber in meinem Gehirn hin und her springt, bis ich zusammen breche.
Dafür habe ich bisher nur eine Lösung gefunden, die im Bekannten, Freundes und Familienkreis nicht unbedingt Anklang findet.
Eine Erklärung
Events. Tage, die ich einfach nicht zu Hause bin. Wo ich Ablenkung habe und ganz besondere Menschen in meinem Leben. Menschen, auf die ich mich jetzt verlassen kann. Davon sind leider nur sehr wenige geblieben. Dafür sind aber auch ein paar ganz wunderbare neue Menschen dazu gekommen. Ohne diese Menschen wäre ich heute an einem weitaus schlimmeren Ort. Einem Ort, aus dem ich nicht mehr flüchten könnte und das weiß ich nur zu gut. Ich habe diesen Ort vor ein paar Wochen kennenlernen müssen und bin froh, dass ich mich auf eine handerlesene Auswahl an Freunden verlassen kann.
Ohne diese Events, sei es die Buchmesse oder ein Konzert oder nur eine Lesung im engeren Bekanntenkreis, wäre ich aufgeschmissen. Komplett aufgeschmissen. Ich hätte keinen Halt mehr. Hätte nichts mehr, was mich wirklich aus dieser Situation raus bringt.
Alleine die Tatsache, dass wir beide bald wieder einem “normalen” Leben mit Arbeit nachgehen müssen, ist für mich mental derzeit gar nicht richtig zu verarbeiten. Die Kraft dafür fehlt, aber ich weiß genau, dass es jetzt bald passieren muss.
Vielen Menschen in meiner Umgebung kommt es falsch vor, dass ich so früh nach Evas Tod schon wieder Spaß habe. Raus gehe. Versuche ein wenig Leben zu behalten. Aber es tut mir Leid. Anders würde ich nie wieder ins Leben zurück finden. Derzeit ist genau das enorm wichtig für mich. Genau wie all die Gespräche, die on und auch offline stattfinden. Egal ob über Eva oder einfach nur über die Probleme von anderen, gar keinen Problemen sondern einfach nur Lachen. Vollkommen egal. Es ist wichtig.
Wieso ich mich nicht mehr entschuldigen mag
Wie oft musste ich mich in letzter Zeit für Entscheidungen bei meiner Familie rechtfertigen. Und nein. Ich seh es nicht mehr ein. Ich mache Fehler. Natürlich mache ich Fehler. Ich habe mich als Mensch verändert. Ich habe quasi meinen Lebensinhalt mit Eva verloren, denn acht Jahre lang drehte sich alles nur um sie. Und ich muss mich nun selber finden. Das braucht Zeit. Das braucht viel Kraft, die ich derzeit nicht habe und es braucht Mut, der auch nur schwer zu finden ist. Es braucht Hoffnung, die ich derzeit nur selten finden kann.
Daher hier einfach mal ein Danke an all die Freunde, die mich nicht hinterfragen. Die mich so nehmen wie ich bin. Die mich meckern lassen, zuhören, heulen lassen. Die einfach mal DA sind, wenn ich jemanden brauche oder auch einfach nur pure Ablenkung bin. Und hier meine ich alle Freunde. Ob neu oder alt. Ihr wisst gar nicht, wie enorm wichtig ihr geworden seid, denn ich habe es euch nie gesagt. Durch euch kann ich an manchen Tagen wieder Kraft für die nächsten tanken. Danke.
Liebe Anna…ich bin leider erst sehr spät auf dich aufmerksam geworden…aber seitdem verfolge ich das was du tust.
Ich finde gut das du viel unternimmst! Du hast dein Kind verloren….was könnte schlimmer sein als das! Und ganz ehrlich? Ich finde nicht das du dich, egal bei wem…Außer bei dir vielleicht….erklären musst! Ich denke es darf sich auch wirklich niemand das Recht herausnehmen über dich zu urteilen! Natürlich ist Alkohol nicht der Weg…aber das hast du ja selbst schon gemerkt! Ich finde gut das du Dinge tust die dir gut tun! Denn genau das ist wichtig! Und auch das du Spaß hast ist wichtig! Mich berührt das alles wirklich sehr und ich wünsche dir das du den richtigen Weg für dich findest mit allem umzugehen. Ich schicke dir Kraft und einen drücker! Danke für deine Ehrlichkeit und Offenheit. Liebe Grüße aus Engelskirchen
Liebe Anna,
ich finde das du dich bei niemandem entschuldigen oder gar rechtfertigen musst. Ich kann mir nicht mal im Ansatz vorstellen, wie es in dir drin aussieht und das obwohl ich selbst von schweren Depressionen geplagt bin, wie du weißt, aber das was Euch widerfahren ist, ist doch das Schlimmste was einem Menschen passieren kann. Deshalb: Entschuldige dich nicht für die Dinge die dir guttun und die dich vor einem Abrutsch in die Spirale bewahren. Auch wenn Eva nicht mehr bei euch ist, trägst du sie doch trotzdem immer ganz nah bei dir. Aber, und das klingt vielleicht blöd, ist aber eine Realität an die du dich klammern solltest: Du bist noch jung und dein Leben geht weiter, auch wenn der Weg schwer ist.
Such dir bitte bitte professionelle Hilfe, wenn du merkst, das du wieder abdriftest. Es gibt gute Therapeuten und Kliniken, die dir bei der Trauerbewältigung vielleicht nur oberflächlich helfen, die dir aber auf jeden Fall zeigen wie du besser mit bestimmten Situationen umgehen kannst und die dich auf jeden Fall davor bewahren, in die Depression und in den Alk abzurutschen. Du schaffst das, ich glaube an dich.
Fühl dich gedrückt.
Alles Liebe Ina
Liebe Anna,
ich bin vor einer Weile durch Zufall – auf der Suche nach einem Rezept – auf deinen Blog aufmerksam geworden… habe so sehr für Eva und dich gehofft… als ich gelesen habe, dass sie euch genommen wurde… ich finde gar keine Worte. Etwas schlimmeres kann einem Menschen, kann einer Mutter, nicht passieren. 🙁
Ich wünsche dir alle Kraft dieser Welt und dass ihr irgendwie zurück ins Leben findet.
Du hast jede kleine Freude dieser Welt verdient. Entschuldige und rechtfertige dich nicht. Du hast für deinen kleinen Engel alles gegeben… sie würde nicht wollen, dass du dich vergräbst, sie würde wollen, dass ihre Mama lebt.
Mehr kann ich unter Tränen nicht schreiben, ich wünsche euch alles erdenklich Gute!